Der Frieden zwischen Israel und Palästina ist möglich !!

Uri Avnery vertritt seit 1948 die Idee des israelisch-palästinensischen Friedens und die Koexistenz zweier Staaten: des Staates Israel und des Staates Palästina, mit Jerusalem als gemeinsamer Hauptstadt. Uri Avnery schuf eine Weltsensation, als er mitten im Libanonkrieg (1982) die Front überquerte und sich als erster Israeli mit Jassir Arafat traf. Er stellte schon 1974 die ersten geheimen Kontakte mit der PLO-Führung her.

  • Uri Avnery trifft Jassir Arafat - Foto Uri Avnery 1982

  • Festakt zur Verleihung der Carl-von-Ossietzky-Medaille 2008 der Internationalen Liga für Menschenrechte. Von links nach rechts: Mohammed Khatib & Abdallah Aburama (Bürgerkomitee von Bil'in), Rachel Avnery, Fanny-Michaela Reisin (Präsidentin der Liga), Uri Avnery, Adi Winter & Yossi Bartal (Anarchists against the wall) - Foto Michael F. Mehnert CC BY-SA 3.0

  • Bild Interview Sternenjaeger.ch Copyright 2012 - sternenjaeger.ch

Texte von Uri Avnery

Apr 28, 2018

Der wahre Sieger


Uri Avnery

28. April 2018

 

AM FÜNFTEN Tag des Sechstagekrieges 1967 veröffentlichte ich einen offenen Brief an den Ministerpräsidenten Levi Eschkol. Die israelische Armee hatte gerade das Westjordanland, Ostjerusalem und den Gazastreifen erobert und ich schlug vor, Eschkol solle dem palästinensischen Volk sofort anbieten, als Gegenleistung für Frieden mit Israel den Staat Palästina zu errichten.

Ich war damals Abgeordneter in der Knesset. Zwei Tage nach dem Ende des Krieges bat mich Eschkol in sein Büro im Knessetgebäude.

Er hörte mir zu und antwortete dann mit väterlichem Lächeln: „Uri, was für ein Händler bist du? In einer Verhandlung bietet man ein Minimum und verlangt ein Maximum. Dann fängt man zu handeln an und am Ende einigt man sich ungefähr in der Mitte. Und du willst schon alles anbieten, noch bevor die Verhandlung anfängt?“

Ich widersprach schwach: Das möge zwar auf einen gewöhnlichen Handel zutreffen, aber nicht, wenn es um das Schicksal von Nationen gehe.

(Der Handelsminister Chaim Zadok, der ein sehr kluger Rechtsanwalt war, erteilte mir bald darauf eine weitere Lektion in zionistischer Mentalität. Ich fragte ihn, welchen Teil des jüngst besetzten Gebietes die Regierung zurückzugeben bereit sei. Er antwortete: „Ganz einfach. Wenn möglich werden wir überhaupt nichts zurückgeben. Wenn sie Druck auf uns ausüben, werden wir einen kleinen Teil zurückgeben. Wenn sie noch stärkeren Druck auf uns ausüben, werden wir einen großen Teil zurückgeben. Wenn sie äußerst starken Druck auf uns ausüben, werden wir alles zurückgeben.“ Damals bedeutete „zurückgeben“ an den König von Jordanien zurückgeben.

Es gab keinen wirksamen Druck und Israel behielt alles.



ICH ERINNERTE mich an diese Episode, als ich den zweiten Teil von Rawiw Druckers hervorragender Fernsehserie über Israels frühere Ministerpräsidenten sah. Nach Ben-Gurion kam Levi Eschkol.

Drucker stellt Eschkol als einen netten und tollpatschigen Politiker dar, einen schwachen Menschen, der zufällig gerade im Amt war, als der schicksalhafteste Krieg ausbrach. Die Folgen dieses Krieges formen bis auf den heutigen Tag unser Schicksal. Das kleine Israel wurde zu einer Regionalmacht mit großen besetzten Gebieten in Nord, Ost und West. Eschkol wurde von seinen rebellischen Generälen hin und hergeschubst und traf seine Entscheidungen unter ihrem Zwang. Israels gegenwärtige Situation wurde also fast zufällig geformt.

Drucker stellt die Tatsachen überaus korrekt dar. Ebenso wie der Teil über Ben-Gurion ist auch dieser sogar für mich voller neuer Enthüllungen.

Und doch denke ich, dass Druckers Darstellung Eschkols nicht vollkommen richtig ist. Es stimmt, Eschkol war ein liebenswerter, bescheidener und gemäßigter Mann, aber darunter lag ein harter Kern, ein hartnäckiger Glaube an die zionistische Ideologie.

Bevor er aufgrund der allgemein Zustimmung der Arbeitspartei Ministerpräsident wurde, nachdem Ben-Gurion untragbar geworden und rausgeworfen worden war, war Eschkol für die Siedlungen zuständig. Sein Entschluss, Juden auf dem Land, das Arabern gehörte, anzusiedeln, stand unerschütterlich fest.

Zwischen uns entwickelte sich eine seltsame Beziehung. Ich war das enfant terrible der Knesset, eine Ein-Mann-Fraktion in extremer Opposition, von der regierenden Arbeitspartei gehasst. Im Knesset-Saal saß ich gerade unter dem Podium des Parlamentspräsidenten. Das war der ideale Platz, um ihn zu unterbrechen.

Eschkol war ein miserabler Redner, die Verzweiflung der Stenografen. Seine Sätze hatten weder Anfang noch Ende. Wenn ich ihn mit einer Bemerkung unterbrach, vergaß er, was er gerade gesagt hatte, wandte sich mir zu und antwortete freundlich. Das machte seine Parteifreunde wütend.

Aber ich machte mir keine Illusionen. Unter seiner Regierung erließ die Knesset ein Gesetz, das offenbar dazu entworfen worden war, mein wöchentlich erscheinendes Nachrichtenmagazin schließen zu lassen. Die regierende Partei hasste es (aus diesem Grund kandidierte ich für die Knesset).

 

ALS DANN 1967 die Nahostkrise begann, zögerte Eschkol, der damals sowohl Ministerpräsident als auch Verteidigungsminister war, tatsächlich. Israel wurde von drei arabischen Armeen bedroht und Amerikas Zustimmung zu einem Angriff Israels war nicht sicher. Die Krise dauerte drei Wochen und die Unruhe der israelischen Bevölkerung wuchs von Tag zu Tag.

Eschkol sah nicht wie einer aus, der einen Krieg leiten könnte. Auf dem Höhepunkt der Krise beschloss er, eine Radioansprache zu halten, um die Stimmung der Nation zu heben. Er las einen Text ab – der zu sehr vorbereitet wirkte. Ein Berater hatte das Manuskript verbessert und einige Wörter geändert. Wenn Eschkol an diese Wörter kam, begann er zu stottern. Es klang wie Unentschlossenheit und sofort bildete sich die Überzeugung in der Öffentlichkeit: Eschkol muss gehen oder wenigstens das Verteidigungsministerium abgeben.

Ein Frauengruppe (mit Spitznamen „die lustigen Weiber von Windsor“) demonstrierte auf den Straßen. Eschkol gab sich geschlagen und Mosche Dajan wurde Verteidigungsminister.

Die Armee, die seit Jahren von Eschkol großartig ausgerüstet und vorbereitet worden war, gewann einen rauschenden Sieg. Der pittoreske einäugige ehemalige General und derzeitige Verteidigungsminister Dajan wurde zum großen Sieger, zum Traum aller Frauen in der ganzen Welt, obwohl sein Beitrag zum Sieg sehr gering gewesen war.

Als alles vorbei war, blieb Eschkols Rang im Ansehen der Öffentlichkeit niedrig. Zwar kann man behaupten, dass eigentlich er der Sieger war, doch ging aller Ruhm an die glanzvollen Generäle. Israel wurde ein militaristischer Staat, die Generäle wurden zu Nationalhelden, Dajan, der eigentlich recht inkompetent war, wurde verehrt.

 

UND DANN, weniger als zwei Jahre nach dem Krieg, starb Eschkol unerwartet. Das waren die schicksalhaften Jahre, in denen Israel mit den erstaunlichen Ergebnissen des Krieges fertigwerden musste.

Es gab keine wirkliche Debatte. Meine Freunde und ich befürworteten die Schaffung eines palästinensischen Staates und fanden keine Unterstützung, weder in Israel noch in der übrigen Welt. Als ich Washington DC besuchte, waren alle entschieden dagegen. Sogar die Sowjetunion (und die israelische kommunistische Partei) nahmen diesen Gedanken erst Jahre später auf.

Eines der Gegenargumente war: Die „Araber des Westjordanlandes“ (Gott verhüte, dass man sie Palästinenser nenne) wollten zum König von Jordanien zurückkehren. Also besuchte ich die bekannten lokalen Führer im Westjordanland. Am Ende unseres Gesprächs fragte ich sie rundheraus: „Wenn Sie die Wahl hätten, unter jordanische Herrschaft zurückzukehren oder einen palästinensischen Staat zu schaffen, wofür würden Sie sich entscheiden?“ Alle sagten: „Natürlich für einen palästinensischen Staat.“

Als ich das in einer Debatte in der Knesset vorbrachte, sagte Dajan, der damals noch Verteidigungsminister war, dass ich löge. Als ich es noch einmal in einer Debatte mit dem Ministerpräsidenten vorbrachte, unterstützte Eschkol die Meinung seines Ministers.

Aber dann tat Eschkol etwas, das nur ein Eschkol tun konnte: Sein Berater für arabische Angelegenheiten rief mich an und bat um eine Zusammenkunft. Wir trafen uns in der Cafeteria für die Abgeordneten in der Knesset. „Der Ministerpräsident hat mich gebeten herauszufinden, auf welcher Grundlage Ihre Behauptung beruht“, sagte er zu mir.

Ich erzählte ihm von meinen Gesprächen mit den verschiedenen arabischen Führern in den besetzten Gebieten. Er erstellte ein genaues Protokoll und fasste zusammen: „Ich stimme dem Abgeordneten Avnery in jeder Einzelheit zu. Wir stimmen darin überein, dass ein palästinensischer Staat ohne Ostjerusalem als Hauptstadt undenkbar ist. Da die israelische Regierung darauf besteht, in jeder möglichen Friedensvereinbarung Ostjerusalem zu behalten, ist der Gedanke eines palästinensischen Staates bedeutungslos. “ (Ich habe dieses Dokument eben der Nationalbibliothek übergeben.)

Die extreme Rechte fordert schon die Annektierung aller besetzten Gebiete zur Schaffung von Großisrael, aber damals waren sie noch nicht an der Macht und nur wenige nahmen sie ernst.

Übrig blieb die vage „Jordanische Option“. Der Gedanke war, König Hussein das Westjordanland unter der Bedingung zurückzugeben, dass er uns Ostjerusalem überlassen würde.

Das war ein verrückter Gedanke, der auf der vollkommenen Unkenntnis der arabischen Realität beruhte. Der König war ein Spross der haschemitischen Familie, der Familie des Propheten Mohammed. Der Gedanke, er könnte den drittheiligsten Ort des Islam aufgeben, den Ort, von dem aus der Prophet in den Himmel aufgefahren war, war aberwitzig. Aber weder Eschkol noch einer der anderen Minister hatte eine Ahnung von islamischen oder arabischen Dingen.

 

DER EINZIGE israelische Ministerpräsident, der arabische Palästinenser kannte, wird in Druckers Serie kaum erwähnt: Mosche Scharett.

Scharett war Israels zweiter Ministerpräsident. Als Ben-Gurion beschloss abzudanken und sich im Negev niederzulassen, wurde der Außenminister Scharett von seiner Partei zu Ben-Gurions Nachfolger gewählt.

Ben-Gurion brauchte etwa ein Jahr, um sich dafür zu entscheiden, dass er schließlich wieder Ministerpräsident sein wolle. Also kehrte er zunächst ins Verteidigungsministerium und nach einiger Zeit ins Amt des Ministerpräsidenten zurück.

Scharett war fast in jeder Hinsicht Ben-Gurions Gegenteil. Kein Zufall, dass Drucker ihn kaum erwähnt. Er wurde als schwach und als einer, den man vernachlässigen könne, angesehen. Während Ben-Gurion entschlossen, kühn und sogar abenteuerlustig war, wurde Scharett als Feigling betrachtet und von vielen verachtet.

Scharett war mit 12 Jahren aus der Ukraine nach Palästina gekommen und hatte zwei Jahre lang in einem arabischen Viertel gelebt. Im Unterschied zu allen anderen Ministerpräsidenten sprach und dachte er Arabisch und verstand die Araber. Mit seinem gut gepflegten Schnurrbart sah er sogar ein wenig arabisch aus.

Als Ben-Gurion aus seinem selbst gewählten Exil im Negev zurückkam, hatte er die Idee, in den Libanon einzumarschieren, einen christlichen Führer als Diktator einzusetzen und den Libanon zum ersten arabischen Staat zu machen, der mit Israel Frieden schließen würde. Scharett war noch Ministerpräsident und hielt das für einen dummen Einfall. Aber er wagte nicht, öffentlich gegen Ben-Gurion aufzutreten. Er ging nach Hause und schrieb einen Brief an Ben-Gurion, in dem er darstellte, was alles an dem Einfall falsch war. Der Plan wurde fallengelassen.

Eine Generation danach führte der damalige Verteidigungsminister Ariel Scharon Ben-Gurions Plan aus. Daraus ergab sich genau das, was Scharett prophezeit hatte. Aber das führte nicht dazu, dass Scharetts guter Ruf wiederhergestellt worden wäre.

Scharett war sehr eitel. Einmal trafen wir uns zu Beginn des sehr beschwerlichen Aufstieges zum Gipfel am Fuße von Massada. Er brauchte eine Stunde und fünf Minuten – das war eine ziemliche Meisterleistung für einen Mann in seinem Alter. In meiner Zeitschrift berichtete ich irrtümlich, dass sein Aufstieg 105 Minuten gedauert hätte. Er war so wütend, dass er mir einen offiziellen Brief schrieb, in dem er eine Korrektur und Entschuldigung forderte. Natürlich erfüllte ich seine Forderung.

Scharett starb bald darauf als verbitterter und enttäuschter Mann. Ich jedoch denke, dass er eine Folge in Druckers ausgezeichneter Serie verdienen würde.

(Aus dem Englischen von Ingrid von Heiseler)

 

ICH ERINNERTE mich an diese Episode, als ich den zweiten Teil von Rawiw Druckers hervorragender Fernsehserie über Israels frühere Ministerpräsidenten sah. Nach Ben-Gurion kam Levi Eschkol.

Drucker stellt Eschkol als einen netten und tollpatschigen Politiker dar, einen schwachen Menschen, der zufällig gerade im Amt war, als der schicksalhafteste Krieg ausbrach. Die Folgen dieses Krieges formen bis auf den heutigen Tag unser Schicksal. Das kleine Israel wurde zu einer Regionalmacht mit großen besetzten Gebieten in Nord, Ost und West. Eschkol wurde von seinen rebellischen Generälen hin und hergeschubst und traf seine Entscheidungen unter ihrem Zwang. Israels gegenwärtige Situation wurde also fast zufällig geformt.

Drucker stellt die Tatsachen überaus korrekt dar. Ebenso wie der Teil über Ben-Gurion ist auch dieser sogar für mich voller neuer Enthüllungen.

Und doch denke ich, dass Druckers Darstellung Eschkols nicht vollkommen richtig ist. Es stimmt, Eschkol war ein liebenswerter, bescheidener und gemäßigter Mann, aber darunter lag ein harter Kern, ein hartnäckiger Glaube an die zionistische Ideologie.

Bevor er aufgrund der allgemein Zustimmung der Arbeitspartei Ministerpräsident wurde, nachdem Ben-Gurion untragbar geworden und rausgeworfen worden war, war Eschkol für die Siedlungen zuständig. Sein Entschluss, Juden auf dem Land, das Arabern gehörte, anzusiedeln, stand unerschütterlich fest.

Zwischen uns entwickelte sich eine seltsame Beziehung. Ich war das enfant terrible der Knesset, eine Ein-Mann-Fraktion in extremer Opposition, von der regierenden Arbeitspartei gehasst. Im Knesset-Saal saß ich gerade unter dem Podium des Parlamentspräsidenten. Das war der ideale Platz, um ihn zu unterbrechen.

Eschkol war ein miserabler Redner, die Verzweiflung der Stenografen. Seine Sätze hatten weder Anfang noch Ende. Wenn ich ihn mit einer Bemerkung unterbrach, vergaß er, was er gerade gesagt hatte, wandte sich mir zu und antwortete freundlich. Das machte seine Parteifreunde wütend.

Aber ich machte mir keine Illusionen. Unter seiner Regierung erließ die Knesset ein Gesetz, das offenbar dazu entworfen worden war, mein wöchentlich erscheinendes Nachrichtenmagazin schließen zu lassen. Die regierende Partei hasste es (aus diesem Grund kandidierte ich für die Knesset).

 

ALS DANN 1967 die Nahostkrise begann, zögerte Eschkol, der damals sowohl Ministerpräsident als auch Verteidigungsminister war, tatsächlich. Israel wurde von drei arabischen Armeen bedroht und Amerikas Zustimmung zu einem Angriff Israels war nicht sicher. Die Krise dauerte drei Wochen und die Unruhe der israelischen Bevölkerung wuchs von Tag zu Tag.

Eschkol sah nicht wie einer aus, der einen Krieg leiten könnte. Auf dem Höhepunkt der Krise beschloss er, eine Radioansprache zu halten, um die Stimmung der Nation zu heben. Er las einen Text ab – der zu sehr vorbereitet wirkte. Ein Berater hatte das Manuskript verbessert und einige Wörter geändert. Wenn Eschkol an diese Wörter kam, begann er zu stottern. Es klang wie Unentschlossenheit und sofort bildete sich die Überzeugung in der Öffentlichkeit: Eschkol muss gehen oder wenigstens das Verteidigungsministerium abgeben.

Ein Frauengruppe (mit Spitznamen „die lustigen Weiber von Windsor“) demonstrierte auf den Straßen. Eschkol gab sich geschlagen und Mosche Dajan wurde Verteidigungsminister.

Die Armee, die seit Jahren von Eschkol großartig ausgerüstet und vorbereitet worden war, gewann einen rauschenden Sieg. Der pittoreske einäugige ehemalige General und derzeitige Verteidigungsminister Dajan wurde zum großen Sieger, zum Traum aller Frauen in der ganzen Welt, obwohl sein Beitrag zum Sieg sehr gering gewesen war.

Als alles vorbei war, blieb Eschkols Rang im Ansehen der Öffentlichkeit niedrig. Zwar kann man behaupten, dass eigentlich er der Sieger war, doch ging aller Ruhm an die glanzvollen Generäle. Israel wurde ein militaristischer Staat, die Generäle wurden zu Nationalhelden, Dajan, der eigentlich recht inkompetent war, wurde verehrt.

 

UND DANN, weniger als zwei Jahre nach dem Krieg, starb Eschkol unerwartet. Das waren die schicksalhaften Jahre, in denen Israel mit den erstaunlichen Ergebnissen des Krieges fertigwerden musste.

Es gab keine wirkliche Debatte. Meine Freunde und ich befürworteten die Schaffung eines palästinensischen Staates und fanden keine Unterstützung, weder in Israel noch in der übrigen Welt. Als ich Washington DC besuchte, waren alle entschieden dagegen. Sogar die Sowjetunion (und die israelische kommunistische Partei) nahmen diesen Gedanken erst Jahre später auf.

Eines der Gegenargumente war: Die „Araber des Westjordanlandes“ (Gott verhüte, dass man sie Palästinenser nenne) wollten zum König von Jordanien zurückkehren. Also besuchte ich die bekannten lokalen Führer im Westjordanland. Am Ende unseres Gesprächs fragte ich sie rundheraus: „Wenn Sie die Wahl hätten, unter jordanische Herrschaft zurückzukehren oder einen palästinensischen Staat zu schaffen, wofür würden Sie sich entscheiden?“ Alle sagten: „Natürlich für einen palästinensischen Staat.“

Als ich das in einer Debatte in der Knesset vorbrachte, sagte Dajan, der damals noch Verteidigungsminister war, dass ich löge. Als ich es noch einmal in einer Debatte mit dem Ministerpräsidenten vorbrachte, unterstützte Eschkol die Meinung seines Ministers.

Aber dann tat Eschkol etwas, das nur ein Eschkol tun konnte: Sein Berater für arabische Angelegenheiten rief mich an und bat um eine Zusammenkunft. Wir trafen uns in der Cafeteria für die Abgeordneten in der Knesset. „Der Ministerpräsident hat mich gebeten herauszufinden, auf welcher Grundlage Ihre Behauptung beruht“, sagte er zu mir.

Ich erzählte ihm von meinen Gesprächen mit den verschiedenen arabischen Führern in den besetzten Gebieten. Er erstellte ein genaues Protokoll und fasste zusammen: „Ich stimme dem Abgeordneten Avnery in jeder Einzelheit zu. Wir stimmen darin überein, dass ein palästinensischer Staat ohne Ostjerusalem als Hauptstadt undenkbar ist. Da die israelische Regierung darauf besteht, in jeder möglichen Friedensvereinbarung Ostjerusalem zu behalten, ist der Gedanke eines palästinensischen Staates bedeutungslos. “ (Ich habe dieses Dokument eben der Nationalbibliothek übergeben.)

Die extreme Rechte fordert schon die Annektierung aller besetzten Gebiete zur Schaffung von Großisrael, aber damals waren sie noch nicht an der Macht und nur wenige nahmen sie ernst.

Übrig blieb die vage „Jordanische Option“. Der Gedanke war, König Hussein das Westjordanland unter der Bedingung zurückzugeben, dass er uns Ostjerusalem überlassen würde.

Das war ein verrückter Gedanke, der auf der vollkommenen Unkenntnis der arabischen Realität beruhte. Der König war ein Spross der haschemitischen Familie, der Familie des Propheten Mohammed. Der Gedanke, er könnte den drittheiligsten Ort des Islam aufgeben, den Ort, von dem aus der Prophet in den Himmel aufgefahren war, war aberwitzig. Aber weder Eschkol noch einer der anderen Minister hatte eine Ahnung von islamischen oder arabischen Dingen.

 

DER EINZIGE israelische Ministerpräsident, der arabische Palästinenser kannte, wird in Druckers Serie kaum erwähnt: Mosche Scharett.

Scharett war Israels zweiter Ministerpräsident. Als Ben-Gurion beschloss abzudanken und sich im Negev niederzulassen, wurde der Außenminister Scharett von seiner Partei zu Ben-Gurions Nachfolger gewählt.

Ben-Gurion brauchte etwa ein Jahr, um sich dafür zu entscheiden, dass er schließlich wieder Ministerpräsident sein wolle. Also kehrte er zunächst ins Verteidigungsministerium und nach einiger Zeit ins Amt des Ministerpräsidenten zurück.

Scharett war fast in jeder Hinsicht Ben-Gurions Gegenteil. Kein Zufall, dass Drucker ihn kaum erwähnt. Er wurde als schwach und als einer, den man vernachlässigen könne, angesehen. Während Ben-Gurion entschlossen, kühn und sogar abenteuerlustig war, wurde Scharett als Feigling betrachtet und von vielen verachtet.

Scharett war mit 12 Jahren aus der Ukraine nach Palästina gekommen und hatte zwei Jahre lang in einem arabischen Viertel gelebt. Im Unterschied zu allen anderen Ministerpräsidenten sprach und dachte er Arabisch und verstand die Araber. Mit seinem gut gepflegten Schnurrbart sah er sogar ein wenig arabisch aus.

Als Ben-Gurion aus seinem selbst gewählten Exil im Negev zurückkam, hatte er die Idee, in den Libanon einzumarschieren, einen christlichen Führer als Diktator einzusetzen und den Libanon zum ersten arabischen Staat zu machen, der mit Israel Frieden schließen würde. Scharett war noch Ministerpräsident und hielt das für einen dummen Einfall. Aber er wagte nicht, öffentlich gegen Ben-Gurion aufzutreten. Er ging nach Hause und schrieb einen Brief an Ben-Gurion, in dem er darstellte, was alles an dem Einfall falsch war. Der Plan wurde fallengelassen.

Eine Generation danach führte der damalige Verteidigungsminister Ariel Scharon Ben-Gurions Plan aus. Daraus ergab sich genau das, was Scharett prophezeit hatte. Aber das führte nicht dazu, dass Scharetts guter Ruf wiederhergestellt worden wäre.

Scharett war sehr eitel. Einmal trafen wir uns zu Beginn des sehr beschwerlichen Aufstieges zum Gipfel am Fuße von Massada. Er brauchte eine Stunde und fünf Minuten – das war eine ziemliche Meisterleistung für einen Mann in seinem Alter. In meiner Zeitschrift berichtete ich irrtümlich, dass sein Aufstieg 105 Minuten gedauert hätte. Er war so wütend, dass er mir einen offiziellen Brief schrieb, in dem er eine Korrektur und Entschuldigung forderte. Natürlich erfüllte ich seine Forderung.

Scharett starb bald darauf als verbitterter und enttäuschter Mann. Ich jedoch denke, dass er eine Folge in Druckers ausgezeichneter Serie verdienen würde.